Das Naturtheater Grötzingen zog am Sonntag mit der Premiere von „Ronja Räubertochter“ sowohl Jung als auch Alt in seinen Bann

Die Räuber auf der Mattisburg sind eine verschworene Gemeinschaft. Bild: Sara Hiller, Nürtinger Zeitung

AICHTAL-GRÖTZINGEN. Wie einfach können Kinder alte Streitigkeiten abschließen, wenn die Erwachsenen dazu zu stolz sind und gar Jahrzehnte brauchen? Astrid Lindgrens zeitloses Buch „Ronja Räubertochter“ bearbeitet die Spannungsfelder zwischenmenschlicher Beziehungen: von Freiheit und Emanzipation, Freundschaft und Liebe. Auch Themen wie Konkurrenz und Vorurteile spielen eine große Rolle. Die Spielschar des Naturtheaters Grötzingen erschafft durch ihre Inszenierung eine eindrucksvolle Atmosphäre. Die Kombination aus einer durchaus dramatischen Handlung und teils grusligen Kreaturen hinterließ bei der Premiere am Sonntag bei Klein und Groß einen nachhaltigen Eindruck.

„Was ist es geworden?“ – „Eine Räubertochter!“ Und Ronja soll sie heißen. Vater Mattis (Julian Platt), der große, gefürchtete Räuberhauptmann, präsentiert seiner Bande voller Stolz und Liebe das kleine Bündel Leben.

Im gut genutzten Bühnenraum wird getanzt, getrunken, denn die Geburt eines weiteren Mitgliedes muss ausgelassen gefeiert werden. Dann schlägt der Blitz in ihre Mattisburg ein. Der Höllenschlund entsteht und spaltet fortan die Burg in zwei Teile.

„Wir sind frei!“ ist das Leitmotiv der wilden Räuberbande. Ronja (Clara Zürcher) wächst die ersten Lebensjahre in der Mattisburg auf. Bis Mattis ihr als junges Mädchen erlaubt, auch die Welt außerhalb der Burg zu erkunden.

Der um seinen Sprössling besorgte Vater möchte um dessen Sicherheit wissen, denn es lauern auch gefährliche Kreaturen im Wald. So flattern die Wilddruden durch das Publikum, auf der Suche nach Futter. „Am sichersten ist es, keine Angst zu haben“, lautet der Ratschlag Lovis’ bezüglich der Graugnomen, weiterer sonderbarer Geschöpfe des Waldes. Lovis (Karin Münzinger), Ronjas Mutter, ist die Ruhe und Gelassenheit in Person und wird ihrer Tochter stets zur Seite stehen. Als Ronja sich darin übt, nicht in den Höllenschlund zu fallen, trifft sie auf Birk (Kalle Hasenberg). Er ist der Sohn des Räuberhauptmanns Borka (Georg Weihrauch), dem Erzfeind der Mattisräuber.

Es stellt sich heraus, dass die Borkaräuber in die Nordhälfte der Mattisburg ohne Erlaubnis eingezogen sind. Beide Kinder haben von ihren Familien Vorurteile gegenüber der anderen Sippe eingeimpft bekommen. Frech und unerschrocken lässt Ronja nicht nur ihr loses Mundwerk, sondern auch ihre Faust sprechen.

Beim Zusammentreffen der beiden Räubersippen zeigt sich, dass die beiden Hauptmänner Borka und Mattis, die sich gegenseitig die Pest an den Hals wünschen, in ihrer Kindheit befreundet waren. Ein erneuter Streit ist jedoch nicht zu verhindern.

Ronja und Birk lernen sich im Wald zwischen Neckereien und kindlichen Machtspielchen besser kennen und entwickeln Sympathie füreinander. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sich gegenseitig das Leben retten. Sie beschließen Freunde zu werden, ja sogar Schwester und Bruder. Dennoch werden sie sich nur geheim treffen können, zu groß ist die Angst beider vor dem Unverständnis ihrer Väter.

Der Konflikt der Räuberbanden schwelt seit Jahrzehnten

Doch wie sollen beide mit dem Kontrast zwischen wahrem, erlebtem Gefühl und anerzogenem Verstand der Sippe umgehen? „Du, was sind das für Sachen, die du genommen hast, ohne zu fragen?“, will Ronja von ihrem Vater wissen. Glatzen-Per (Matthias Probst) steht ihr dabei nachbohrend zur Seite. Sie spricht damit nicht nur den jahrzehntelangen Konflikt der beiden Räuberbanden an. Ein Räuber nehme es nun mal von Reichen, um es den Armen zu geben. Später wird die Vater-Tochter-Beziehung zutiefst erschüttert. Sturkas (Jana Antesz) wird mit einem Pfeil in den Hals getroffen, es gab eine erneute Auseinandersetzung mit Borka. Damit ist der Krieg erklärt. Birk fällt Mattis in die Hände, dieser möchte Borka erpressen: Er soll mit seiner Sippe die Mattisburg verlassen.

Ronja kann dies nicht zulassen:„Menschen darfst du nicht rauben, dann will ich nicht länger deine Tochter sein.“ Sie geht freiwillig zur Borkasippe und der Bruch zwischen Mattis und seiner Tochter ist vollzogen: „Ich habe kein Kind.“ Die beiden Kinder beschließen zum Leidwesen ihrer Räubergenossen zusammen auszuziehen und nun fortan in der Bärenhöhle im Wald zu leben. Sie lernen sich immer mehr kennen.

Derweil grämt sich Mattis über das Fehlen seiner Tochter. Verschiedene Versuche, sie wieder nach Hause zu locken, scheitern. Selbst Lovis kann ihre Tochter nicht zurückbringen. Ronja verlangt, dass Mattis persönlich darum bittet. Inzwischen beschließen die beiden Räuberhauptmänner, sich zu verbünden, damit sie eine Chance gegen die Verfolgung durch die Landsknechte haben.

Ein Zweikampf der besonderen Art entscheidet über die Machtverteilung. Mattis behält die Räuberhauptmannsstellung und die Erkenntnis beider lautet: „Bei seinen Kindern hat man heutzutage nichts mehr zu sagen. Die machen, was sie wollen.“

Der entscheidende Moment tritt ein, als Mattis seine Tochter wieder in die Mattisburg bittet. Er erlaubt auch Birk, ebenda zu wohnen. Es versammelt sich die ganze Sippe um das Sterbebett Glatzen-Pers. „Ich glaube, es wird bald alles wieder gut“, wird versöhnlich gesungen. Und das älteste Mitglied der Räuberbande schläft mit einem zutiefst zufriedenem Lächeln ein.

Regisseur Lars Kajuiter gelingt es, mit seiner Inszenierung des Klassikers von Astrid Lindgren eine zeitlose Thematik auf die Bühne des Naturtheater Grötzingen zu bringen. Die feinsinnige Art, sowohl die verschiedenen Facetten der Freundschaft als auch das große Thema des Ablöseprozesses von Kind zu Eltern zu kombinieren, berührt den Zuschauer.

Mit Musik von Magnus Reichel wird das Gespielte auch gesanglich untermalt und bringt so eine zusätzliche Leichtigkeit und Abwechslung in das Stück. Hervorzuheben ist hierbei die bemerkenswerte schauspielerische Leistung der Spielerschar und die aufwändige Maske (Leitung Verena Kleinknecht). Komplettiert wird das Gesamtstück durch das imposante Kostümbild von Heike Pautkin. Insgesamt ist die Grötzinger „Ronja“ ein durchaus besonderes Erlebnis, das altersunabhängig überzeugt und zum Nachdenken anregt.

Die Spielzeit 2019 für „Ronja Räubertochter“ geht bis zum 18. August. Karten können über die Theaterkasse im Naturtheater, das Stadtbüro der Nürtinger Zeitung oder online reserviert werden.

Veranstaltungen

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Eine Geschichte von Freundschaft, Freiheit und Liebe nach dem gleichnamigen Kinder- und Jugendbuch von Astrid Lindgren.

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