Theater: Im Naturtheater Grötzingen wird mit Otfried Preußlers zauberhafter Hexengeschichte endlich wieder ein Kinderstück gezeigt.

Mit viel Liebe zum Detail wurde „Die keine Hexe“ inszeniert. Bild: Hiller, Nürtinger Zeitung
»Regisseurin Kerstin Schürmann versteht es, dem Stück dramaturgisch ihre eigene Handschrift zu verleihen und aus dem Kinderbuch-Klassiker eine moderne Bühnenfassung zu erschaffen.«

AICHTAL. Kaum zu glauben: Mit ihren 127 Jahren gehört die kleine Hexe noch zu den Jungspunden unter ihren Artgenossen. Ihr größter Wunsch ist es, beim berüchtigten Hexentanz auf dem Blocksberg mitzumachen. Um endlich bei den Großen dazugehören zu können, muss sich die kleine Hexe erst noch beweisen. Doch ist man wirklich nur dann eine gute Hexe, wenn das Zaubern böse Absichten verfolgt?

Am Sonntagnachmittag wurde die Freilichtbühne des Naturtheaters Grötzingen lebhafter Schauplatz für magische Gegebenheiten, sprechende Fabeltiere und für die vertrauensvolle Verbundenheit zweier Freunde. Nach Corona-bedingter zweijähriger Kinderstück-Pause läutete die Premiere von Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ in die Spielzeit 2022 ein. „In dieser besonderen Geschichte stecken einige Themen, die wir alle gut nachvollziehen können: Von der Bedeutung wahrer Freundschaft, dem Mut, Armen und Unterdrückten beiseite zu stehen, bis hin zum Gefühl des Ausgeschlossenseins“, unterstreicht Vorstandsmitglied Svenja Hasenberg in ihrer Begrüßung des Premierenpublikums.

Zaubern will erst einmal gelernt sein, erkennt die kleine Hexe resigniert

„Hokuspokus, Krötenei, weiße Wolke rasch herbei!“ Statt Regen fallen plötzlich Wäscheklammern vom Himmel. Beim zweiten Versuch huschen kleine Mäuse über die Bühne. Zaubern will erst einmal gelernt sein, erkennt die kleine Hexe resigniert. Sie hatte sich zur Walpurgisnacht heimlich unter den Hexentanz gemischt und war entdeckt worden – ausgerechnet von Muhme Rumpumpel, die ihr in ihrem Argwohn nichts Gutes will. Die Oberhexe jedoch hat ein Nachsehen und stellt der kleinen Hexe ein Ultimatum, binnen eines Jahres eine gute Hexe zu werden. Nun ist die kleine Hexe kurz davor, vor den Hexenrat zu treten und ihn davon zu überzeugen. Doch davor lassen Abraxas und sie ihre vollbrachten guten Taten Revue passieren.

So hilft sie fünf armen Holzsammlerinnen, die vergeblich nach Brennholz suchen und synchron seufzend über ihre schlechten Zeiten klagen. „Vintulus, ventulus.“ Wie durch Zauberei sorgt der aufkommende Starkwind für allerlei herunterfallendes Geäst und Erleichterung bei den Frauen. Doch einem gefällt das überhaupt nicht: Der resolute Revierförster droht ihnen, angesichts der fehlenden Erlaubnis des Forstamtes, die Körbe auszuschütten. Doch die kleine Hexe ist schneller. Sie veranlasst, ganz zu seiner Verwirrtheit, dass den Wörtern aus seinem Mund die gegenteilige Bedeutung verliehen wird. Und er sie in seiner überschwänglichen Nettigkeit schließlich sogar nach Hause trägt.

Beim Wochenmarkt trifft sie auf das mittellose und mitleiderregende Blumenmädchen. Ihre unscheinbaren Papierblumen möchte niemand kaufen. Plötzlich ist das gerade noch so rege Markttreiben eingefroren, magische Klänge ertönen. Und kurze Zeit später sind alle hin und weg vom betörenden Duft der Papierblumen – überglücklich verkauft das Mädchen nun davon mehr als tausend Stück.

„Heiße Maroni!“: Dem dauerniesenden Maronimann, der übrigens nicht Maroni heißt, verhilft sie aus der Erkältung. Wie von Zauberhand ist er endlich von seinen Eiszapfenfüßen erlöst und kann die Esskastanien wieder sorglos verkaufen. Und die böse Bande Susi und Karl wird nach dem herzlosen Zerstören eines Schneemannes eines Besseren belehrt. So erweckt die kleine Hexe den Schneemann zum Leben und lässt ihn sich wehren – die Kinder können gar ihren Augen nicht trauen.

Die Freilichtbühne erscheint vielseitig wandelbar: Die schroffen Felsen des Blocksbergs erstrahlen nicht nur zur Walpurgisnacht in kräftigen Farben und das herrlich sympathisch-urige Hexenhäuschen ist dank Drehbühne sowohl von außen als auch von innen erfahrbar. Apropos Hexenhaus: Dort ist auch etwas ganz Besonderes beherbergt. Es ist ein sprechender Ofen, der den pilzsuchenden Kindern Thomas und Vroni mal eben einen überaus leckeren Kuchen zaubert – wer wünscht sich nicht so ein zuvorkommendes Küchengerät? Im Lädchen der Krämerin Barbara Pfefferkorn gibt es einiges zu entdecken. Denn sie führt in ihrem reichhaltigen Sortiment, neben Hand-, Tisch- und Schneebesen – ganz zu ihrem Erstaunen – sogar den passenden Hexenbesen für die kleine Hexe.

Man spürt bis ins kleinste Detail das Herzblut, welches das Ensemble in diese Inszenierung hineingesteckt hat. Es ist beeindruckend, wie die einzelnen Hexen, von der Wald-, Wind-, Feuer- bis zur Kräuter-, Ungeziefer- und Sumpfhexe beim alljährlichen Tanz auf dem Blocksberg an der Walpurgisnacht voller Elan umherspringen und ihre doch speziellen Rollen authentisch ausfüllen – und die Oberhexe (Kalle Hasenberg) auf Stöckelschuhen und mit krächzender Stimme den Berg etwas unbeholfen hinunter stolziert. Allen voran ist es die Wetterhexe Muhme Rumpumpel (Heike Arnold), die mit ihrer hinterhältigen und fiesen Art der Geschichte einen Hauch Bösartigkeit verleiht.

Der Kinderbuch-Klassiker glänzt als moderne Bühnenfassung

Regisseurin Kerstin Schürmann versteht es, dem Stück dramaturgisch ihre eigene Handschrift zu verleihen und aus dem Kinderbuch-Klassiker eine moderne Bühnenfassung zu erschaffen. So wird eingangs der Abraxas kindgerecht erklärt: „Es ist kein gewöhnlicher Rabe“, beschreibt Darsteller Leander Aust den Raben auf seiner Hand. „Als Schauspieler kann man beinahe alles“, sagt er zwinkernd, nimmt symbolisch das Gefieder und einen Schnabel zur Hand und schlüpft in die Rolle des Rabens.

Gekonnt ermöglichen allerhand dramaturgische Tricks die Umsetzung so mancher ausgetüftelter Hexensprüche – Zaubern sollte ja wie von Zauberhand vonstatten gehen. Kerstin Schürmanns feiner Sinn für Details ist es, der die Inszenierung zu einer besonderen macht. Ihr gelingt es, neben den Haupt- auch die Nebenfiguren die angemessene Präsenz zu verleihen. Bei den Marktszenen zum Beispiel, in denen das Ensemble geschlossen auftritt, gibt es, neben der Haupthandlung, allerlei Narratives – kleine Szenen in der großen Szene – zu entdecken. Es ist nicht ablenkend. Im Gegenteil, es komplettiert die einzelnen Sequenzen zu einem farbenfrohen, lebendigen Schauspiel. Musikalisch begleitet wird das Gesamte durch magische Klänge, komponiert von Magnus Reichel.

Samira Mainzer als empathische und dynamische kleine Hexe überzeugt von Anfang an mit einer beeindruckenden Bühnenpräsenz. Mal frech, mal nachdenklich und stets mit einem großen Herzen und Sinn für Gerechtigkeit tritt sie ihren Mitmenschen und -getieren entgegen. Einfühlungsvermögen besitzt auch ihr treuer Begleiter, der Rabe Abraxas. Zusammen führen sie durch das kunterbunte Kinderstück und zeigen: Das Band dieser Freundschaft ist unzerreißbar. Ihr gegenseitiger Umgang ist geprägt durch Toleranz und Ehrlichkeit, denn der Rabe nimmt nie ein Blatt vor den Schnabel – ein Miteinander, das auch die Kleinsten im Publikum berührt.

Schließlich wird Muhme Rumpumpel die kleine Hexe vor dem Hexenrat verpfeifen: „Nur Hexen, die Böses hexen, sind gute Hexen!“, schreit die Oberhexe voller Entsetzen. „Hokus-pokus-fidibus!“ Und kleine Kinderaugen kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als die kleine Hexe Besen und Bücher der bösen Hexen verbrennt – und damit allzeit die einzig verbliebene, gute Hexe sein wird.

Veranstaltungen

Ein Sommernachtstraum

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Die kleine Hexe

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