Theater: Das Naturtheater Grötzingen zeigt „Ein Sommernachtstraum“ mit allerlei magischen Überraschungseffekten. Der Shakespeare-Klassiker hat am Samstagabend eine überaus gelungene Premiere gefeiert.
AICHTAL-GRÖTZINGEN. Ein Paar flieht aus Liebe, zwei andere folgen ihnen der Liebe wegen, zwei streiten sich – und die Magie versucht sich im Wirrwarr als Amor. Verwirrungen sind da programmiert. „Es ist eine modern inszenierte Neuauflage eines Klassikers mit zeitloser Geschichte“, leitet Vorstandsmitglied Klaus Herzog am Samstagabend in die gut besuchte Premiere zu William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ ein.
Theseus, der Herzog von Athen, hat sich mit Hippolyta, der Königin der Amazonen, verlobt. Die Hochzeitsvorbereitungen sind in vollem Gange. Auch Lysander und Hermia wollen heiraten. Ganz zum Widerwillen von Aegea, Hermias Mutter, die eher in Demetrius ihren bevorzugten Schwiegersohn sieht. Der Herzog gibt Hermia vier Tage Bedenkzeit – und droht ihr mit einem Leben als Nonne, sollte sie sich gegen Demetrius entscheiden. Aus Angst vor dem athenischen Gesetz beschließen Lysander und Hermia die gemeinsame Flucht. Nur ihrer Freundin Helena verrät Hermia ihre Pläne. Die jedoch ist im Geheimen abgöttisch in Demetrius verliebt und erzählt diesem die brisante Neuigkeit. Von Eifersucht getrieben folgt er dem Paar in den Wald. Dicht gefolgt von Helena, die ihm der Liebe wegen auf den Fersen ist.
Der Theaterabend entwickelt sich rasch zu einem kurzweiligen Vergnügen
Im angrenzenden Wald streitet sich derweil der Elfenkönig Oberon (Joannis Skempes) mit seiner Gemahlin Titania (Simone Daum) samt dem Gefolge. Ihr Konflikt wirkt sich indes auch auf die Natur aus. „Lieb’ und leide tausendfach“: Hinterlistig beauftragt Oberon den Kobold Puck, Titania als Revanche mit einer magischen Blume zu verzaubern. Sie soll sich in das erste Wesen verlieben, das sie nach dem Erwachen erblickt. Zusätzlich erweckt Helena Mitleid bei Oberon – Puck soll diesen Liebeszauber auch bei Demetrius (Kalle Kirchner) anwenden.
Es kommt zur Verwechslung und schließlich wird Helena neben Demetrius auch von Lysander (Marvin Fügel) bezirzt. Und das Verwirrspiel nimmt seinen Lauf.
Der Theaterabend entwickelt sich rasch zu einem kurzweiligen Vergnügen. Das unterhaltsame Durcheinander im Elfenwald, maßgeblich vorangetrieben durch Puck, dem Kobold, und den unglücklich Verliebten, lässt an vielen Stellen das Publikum lachen. Einige Handwerker Athens wollen im Wald für die große Hochzeitsfeier ein Schauspiel einstudieren.
Ihr unbedarft-laienhaftes, amüsantes Spiel bringt dem Geschehen neben einer großen Portion Leichtigkeit auch zusätzliche Überraschungseffekte. Denn der höchst ambitionierte und etwas zu selbstüberzeugte Zettel (Matthias Probst) wird das nächste unfreiwillige Opfer von Pucks Zauberstreichen. Ihm wird ein Eselskopf verpasst, die Elfenkönigin erblickt ihn schließlich und – kraft der Zauberblume – verliebt sich in ihn. Es ist ziemlich skurril, wie Titania vollkommen dem Liebeswahn verfällt und damit die Dynamik des Geschehens vorantreibt.
Das Publikum wird mitfiebernder Zeuge des Hin-und-Hergerissenseins der Protagonisten. Gefangen zwischen der Macht der eigenen Gefühle, der Kompromisslosigkeit äußerer Autoritätsstrukturen und fehlender Unterstützung sind sie auf sich selbst und ihre Liebe gestellt. Ein Traum mit allerlei Verwechslungen und durcheinander bringende Verwicklungen, eingefädelt durch wundersame Blumendüfte, stellt ihre Liebe zueinander auf die Probe.
Doch hinter dem scheinbar belustigendem Schauspiel steckt bei genauem Hinhören thematisch einiges an Tiefgang: Von der Unberechenbarkeit des triebhaften, menschlichen Verlangens und dessen Einfluss auf die Vernunft bis hin zur zerbrechenden Natur – die bereits bemerkbaren Veränderungen der Jahreszeiten und den drohenden Katastrophen – und die durchaus berechtigte Frage nach den Verursachern. Es sind vielschichtige Themen, die auch und insbesondere in den heutigen Zeiten höchste Aktualität besitzen.
William Shakespeares Bühnenstück „Ein Sommernachtstraum“ wurde um 1600 uraufgeführt und ist seither nicht ohne Grund eines der meist inszenierten Stücke. Es ist eine Gratwanderung zwischen Traum und Wirklichkeit, Fantasie und Realität. Versinnbildlicht wird diese Ambivalenz auch im Bühnenbild: Die Blumenwiese symbolisiert andauernde Transformationsprozesse, von Werden, Sein und Vergehen. Der Elfenberg hingegen steht für den Ort, an dem Magie vollführt wird, nichts greifbar zu sein scheint. Regisseur Jürgen Lingmann gelingt es mit seiner Adaption, den Shakespear’schen Esprit beizubehalten und ihn auf die Grötzinger Freilichtbühne zu bringen. Nah an den Originaltexten gehalten, verzaubert nicht nur der Inhalt – Shakespeares Sprache trägt auf lustige und doch auch elegante Art das Geschehen mit.
Dabei tut es der Bühnenfassung gut, dass dem thematisch zeitlosen Klassiker ein Hauch Modernität verpasst wurde. So sind die Elfen mit allerlei bunten LED-Lichtern ausgestattet, tanzen zu elektronischen Klängen oder kündigen rappend ihre Königin an. Des Elfenkönigs Macht und durchtriebenes Spiel wird von zwei ihm stets begleitende Felltiere eindrucksvoll demonstriert. Ihr lautes, unterschwellig böses Knurren verleiht dem kitschig-tänzelndem Gefolge der Elfenkönigin einen spannenden Gegenwind.
Das Ensemble beweist schauspielerisches Facettenreichtum
Shakespeare hätte dieses dramaturgische Jonglieren mit Gegensätzen sicherlich gefallen. Jürgen Lingmann geht in seiner Inszenierung auch innovative Wege: Den Umständen geschuldet, dass im jungen Ensemble Männer Mangelware sind, wird der eigentlich männlich gelesene Puck in dieser Bühnenfassung von drei jungen Damen (Karin Münzinger, Sophia Petermann und Saskia Stumpf) gespielt. Es wirkt wie ein innerer Dialog, verschiedene Anteile, die miteinander kommunizieren: Flink kommentieren die Drei das Geschehen, tauschen Gedankenfetzen aus und verschwinden im nächsten Moment wieder in den Untiefen des Elfenberges.
Maßgeblich getragen wird das vielschichtige Bühnenstück durch ein Ensemble, das schauspielerisches Facettenreichtum beweist. Von Anfang an spürt das Publikum eine Spielfreude, die mitreißend ist und das Geschehen auf der Grötzinger Freilichtbühne plastisch werden lässt.
„Du Püppchen“, „du Bohnenstange“: Es überzeugt, wie charakterstark Helena (Leonie Heinrich) und Hermia (Micaela Walz) aufeinandertreffen und dem Erzählten eine Prise Dynamik verleihen. Und Simone Daum trotz Stimmproblemen ihre Rolle der Titania unerschütterlich auszufüllen vermag. Es stimmt alles: Das feine Gespür für das Detail in der Kostümgestaltung, atmosphärische Lichteffekte und züngelnde Flammen. Die von Magnus Reichel komponierte musikalische Untermalung komplettiert auch auf akustischer Ebene die einzelnen Szenen.
Am Ende wird alles wie ein Traum erscheinen und die Liebenden wieder zueinander finden. Es war ja nie anders gewesen – so jedenfalls scheint es, wie aus Zauberhand. „Tanzet, singet, hüpfet.“ Ein Happy End, das ganz im Sinne von Shakespeare gebührend gefeiert wird.
Veranstaltungen
Ein Sommernachtstraum
Komödie von William Shakespeare inszeniert von Jürgen Lingmann (Romeo & Julia, Robin Hood)
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