Der Musik-Profi arbeitet gern mit den Laien des Naturtheaters. Für diese Saison hat er die Musik für beide Produktionen geschrieben.

Die Emil-Band des Naturtheaters Grötzingen hat intensiv mit dem Profi-Komponisten Magnus Reichel gearbeitet. Bild: Svenja Hasenberg, Naturtheater Grötzingen e.V.

AICHTAL-GRÖTZINGEN. Eine Kinderbande rennt durch die Straßen von Berlin und jagt einen Dieb. Dazu singen die Jungs und Mädchen „Parole Emil“. Zu Erich Kästners Kinderkrimi „Emil und die Detektive“ hat der Heilbronner Komponist Magnus Reichel eine Bühnenmusik geschrieben, die den Kindern und Jugendlichen gefällt. „Parole Emil“ lautet der Refrain, der sich als Leitmotiv durch die turbulente Produktion im Naturtheater Grötzingen zieht. Auch die Musik zu Victor Hugos „Der Glöckner von Notre Dame“, dem Erwachsenenstück der laufenden Saison, stammt von dem Profi-Komponisten.

Mit den ambitionierten Laien des Naturtheaters zu arbeiten, das hat Magnus Reichel Spaß gemacht. Der 27-Jährige war verblüfft über die Musikalität der Spielerinnen und Spieler. „Die Kinder spielen sogar selbst Instrumente“, schwärmt der Komponist. Eine Musik zu schreiben, die sie leicht selbst umsetzen können, hat den Künstler gereizt. „In der Emil-Bande selbst Gitarre oder Keyboard zu spielen, hat unser junges Ensemble gefordert“, findet Kerstin Schürmann, die künstlerische Leiterin des Naturtheaters. Durch die Arbeit mit Profis entwickelten sich die Spielerinnen und Spieler weiter, ist sie überzeugt. Diese Linie will die erfahrene Theaterfrau auch fortsetzen.

Die Dynamik der Großstadt Berlin in eine Klanglandschaft zu übertragen, das ist Magnus Reichel in der Produktion geglückt. Seine eingängigen Melodien gefielen Jung und Alt im Familienstück. Viele verließen das Naturtheater und summten „Parole Emil“, weil ihnen der Ohrwurm einfach nicht aus dem Kopf ging. Erich Kästners Roman spielt in den 1920er-Jahren. Er ist 1929 erschienen und wurde bereits mehrfach verfilmt. Magnus Reichel hat sich auch mit der Musik in der Weimarer Republik beschäftigt, griff musikalische Motive beherzt auf. Wichtig ist es ihm, diese Musik der jeweiligen Zeit „auf dem Hintergrund heutiger Erfahrung ganz neu zu lesen.“ Die wilden Lieder der Straßenkinder hat er aufgegriffen.

Musik, die Emotionen weckt

Reichels Leidenschaft ist es, Musik für Theater und Film zu schreiben. Deshalb hat er an der Musicube-Akademie in Bonn Komposition studiert. Dann hat er an der Universität von Arnheim den Bachelor of Arts in Komposition für Film und Theater draufgesattelt. „Musik zu komponieren, die Emotionen weckt“ ist sein Ziel. Er mixt Balladen, Rock, Pop und elektronischen Sound.

Wie spannungsgeladen seine Computermusik ist, erlebt das Publikum im „Glöckner von Notre Dame“. Die Inszenierung von Marco Beck, der an der Akademie August Everding in München Musical studiert hat, kombiniert Schauspiel, Tanz und Musik. „Da habe ich die Choreografie beim Komponieren mitgedacht“, sagt Reichel mit Blick auf die Tanzszenen.

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Theater- und Filmkomponist Magnus Reichel

Die Klänge charakterisieren die Figuren

Wenn sich die schöne Esmeralda wie wild auf der Bühne dreht, peitscht der Musiker die Klänge ins Extreme. So charakterisieren die Klänge auch die Figuren. Seine Komposition wertet die starke Frauenfigur der Esmeralda auf, die Samira Mainzer in Grötzingen charakterstark auf die Bühne bringt. „Die Figur der Esmeralda wird oft unterschätzt“, findet Kerstin Schürmann. Im Original steht die Geschichte des Findelkinds, das bei Sinti und Roma aufwuchs, viel mehr im Fokus als die des missgebildeten Glöckners. In französischer Sprache lautet der Titel von Hugos Roman „Notre Dame de Paris“. Deshalb lenkt Regisseur Beck den Blick auf Esmeralda.

Mit dem Regisseur des diesjährigen Erwachsenenstücks, der selbst vom Musical kommt, hat sich der Heilbronner Künstler bestens verstanden. Die großen Gefühle in Victor Hugos historischem Roman aus dem Jahr 1831 erfasst der junge Komponist. Das Spannungsfeld zwischen der strengen, von kirchlichen Gesetzen geprägten Welt des 15. Jahrhunderts in der Pariser Kathedrale Notre Dame und den Leidenschaften oder Sehnsüchten der Akteure ist Triebfeder der Musik. Mit den monumentalen, dumpfen Glockenschlägen der Kirche des Erzbistums Paris beginnt der Theaterabend auf dem Grötzinger Galgenberg. Auf dieser Naturbühne ist Gänsehautstimmung programmiert.

Magische Momente mit den Tuchakrobatinnen

Dass Magnus Reichel in die Epochen eintaucht, in denen das Stück spielt, lässt der Künstler spüren. Im „Glöckner“ gleitet die schwere Kirchenmusik sacht über in rockige Klänge. Das passt perfekt zum Gesamtkunstwerk, das Marco Beck in Grötzingen auf die Bühne bringt. Für magische Momente sorgen auch die Tuchakrobatinnen, die ihre anmutige Kunst in luftiger Höhe zeigen.

Dass der Film- und Theaterkomponist Reichel das Ensemble des Naturtheaters von früheren Kooperationen gut kennt, ist für Kerstin Schürmann eine große Chance. Die künstlerische Leiterin wünscht sich „weitere Zusammenarbeit“. Für den Komponisten ist es wichtig, die Talente im Ensemble zu entfalten: „Musikalisch haben viele der Bühnenlaien neue Horizonte entdeckt.“ Dass er zum ersten Mal beide Produktionen betreut hat, sei für Grötzingen ein Gewinn. Jenseits der Sprache Emotionen zum Klingen zu bringen, habe der Theaterarbeit gutgetan.

 

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