AICHTAL-GRÖTZINGEN. Das Naturtheater Grötzingen hat seine Freiluftsaison mit einer neuen Fassung von Alexandre Dumas’ Roman »Der Mann mit der eisernen Maske« eröffnet. Unter der Regie des Niederländers Rob Doornbos spielte das Ensemble am Galgenberg wirkungsvoll auf.

König Ludwig XIV., gespielt von Joannis Skempes, steht im Zentrum des Mantel- und Degenstücks. Der Herrscher ist ein Meister darin, seine Machtstellung zu sichern. Obwohl er Staatseinnahmen verschwendet, Regeln bricht, intrigant ist und schöne Frauen anbaggert, gelingt es keinem, ihm die Macht abspenstig zu machen.

Showdown mit Degen

Alle Anschläge auf sein Leben scheitern, weil es D’Artagnan (Vivek Sehra), der die Garde des Königs führt, stets gelingt, sie zu vereiteln. Erst als sich Ludwig in Louise (Simone Daum) verliebt, beginnt sich das Blatt zu wenden.

Die Schöne will keine Mätresse des Königs sein, denn sie liebt den Sohn des Musketiers Athos. Raffiniert löst Ludwig das Problem. Er lässt Raoul (Jakob Fischer) an die Front beordern und nötigt Louise, die für ihren Verlobten um Gnade fleht, zur Liebe.

Während Ludwig seinem Vergnügen frönt, schmieden sowohl die Königin (Franziska Greinert) mit ihrem Geliebten Alfonso (Andreas Rilli) als auch der Schatzmeister Fouquet (Daniela Kästner) wüste Pläne.

Auch Raouls Vater Athos (Matthias Probst) plant, mithilfe der anderen Musketiere den König zu stürzen. Sie wollen Ludwig heimlich gegen seinen Zwillingsbruder Philipp (Joannis Skempes in einer Doppelrolle) austauschen.

Philipp, der unter einer eisernen Maske ein elendes Dasein im Kerker fristet, wird von den Musketieren befreit und auf seine Rolle vorbereitet. Doch der Maskenball, auf dem der Austausch erfolgt, erweist sich als kühne Intrigenfalle. D’Artagnan durchschaut das Spiel und verteidigt mit seiner Garde den Herrscher loyal. Philipp wird erneut gefangen genommen, den anderen gelingt es, zu entkommen. Wie die Königinmutter Anna (Renate Strittmatter) bittet auch der ehemalige Musketier D’Artagnan um Gnade für Philipp. Als Ludwig ablehnt und Philipp wieder in Ketten legen will, wechselt D’Artagnan die Seite. Es kommt zum großen Showdown, bei dem auch Raoul wieder auftaucht. Die Degen kreuzen sich.

Zum Schreien komisch

Dank einem spielfreudigen Ensemble, das mit seinen Talenten nicht geizt, gelingt es Rob Doornbos, ein richtungsweisendes Leuchtfeuer in Gang zu setzen, das den Galgenberg zu neuen Ufern führen könnte.

Joannis Skempes überzeugt als Ludwig XIV. mit Bühnenpräsenz und gekonnter Attitüde, Daniela Kästner und Kerstin Schürmann sind als Staatsminister Fouquet und Colbert, besonders wenn sie so richtig aufdrehen, zum Schreien komisch. Kalle Kirchner spielt den Bischof glaubwürdig und mit subtiler Abgründigkeit, und Vivek Sehra verkörpert einen kraftvollen D’Artagnan, der die stapfende Garde virtuos anführt.

Einprägsame Bilder

Mit rasch wechselnden Szenen, die da und dort mehr Witz vertragen könnten, aber sehr effektvoll sind, gelingt es Doornbos, den Maskenmann neu zu beleben. Es ist ein saftiger Klamauk, der am Galgenberg mit einprägsamen Bildern, und Bewegungsabläufen, schrillem Gesang und konterkarikierenden Auftritten über die Bühne geht.

Dabei schwingen im Hintergrund durchaus kritische Töne mit. Sei es das Thema Machtmissbrauch, die Me-too-Debatte oder die Stellung der Frau in unserer Gesellschaft – mit diesem Stück, in dem Spanisch parliert wird und Kostüme vom Barock bis hin zum Gothic-Style reichen, hat das Naturtheater Grötzingen begonnen, die Zukunft ins Auge zu fassen: szenischer, kurzweiliger, auf Effekte bedacht, starke Auftritte und thematische Latenz, die sich nicht aufdrängt. Bleibt zu hoffen, dass dem Publikum, das wie überall in die Jahre gekommen ist, der Ulk nicht zu weit geht und dass sich der rote Faden finden lässt, der Galgenberger Originalität und frische szenische Einzelelemente miteinander verknüpft. (GEA)